(-;-) GzN

(-;-) aufgenommen via Integrated Circuit Recorder & zeitverzögert vertextet

Vom Mädesüß und Himbeerstrauch, Teil 4

Heute bei der Stippvisite am östlichen Teil des Schlachtfelds kamen gar sonderliche Gedanken in mir hoch, die sich in einer jugendlichen Metapher fassen können - Vorsicht! Ich wiederhole meine laut geäußerten Gedanken jetzt vorbehaltlos: "Das ist ja schlimmer als Hitler!" Das sind fremde Worte, die ich mir so nie zusammenreimte und lediglich mal aufschnappte und in dem damaligen Moment, bei der ersten und einzigen Hingabe, als frisch und erheiternd empfand. Doch ehe das sprunghaft kommende Amüsement meinerseits seine Vollendung in zuckenden Mundwinkeln seinerzeit fand, setze die Beherrschung ein, die mir klar machte, dass das eben Gehörte zwar durchaus, und bei aller Oberflächlichkeit, einen gewissen Schmunzeleffekt bewirkte, dennoch in seiner Gesamtheit zutiefst widerlich erscheint. Nicht unbedingt der Worte wegen, sondern der Gesinnung, die man dahinter vermuten kann. Der jugendliche Sprachstilismus kann eine Metaebene erreichen, zu der ein Erwachsener nie fähig wäre, gerade weil er vielleicht ein wenig mehr Tiefgang besitzt. Man spürt so dann den faden Beigeschmack, den die Geschichte mit sich bringt, die man vielleicht etwas eindrücklicher kennt, als das junge Gegenüber. Die Folge ist dieses Ekelgefühl, das sich breit macht und sich festsetzt. Mit anderen Worten: Als ich das Ausmaß der Zerstörungsgefühllosigkeit zwischen Himbeerstrauch und Mädesüß in seiner Gesamtheit aus der Ferne erkannte, musste ich mir eingestehen, dass dieser Satz mehr Gefühl mit sich bringt als alles Dargeboten. 

["Bitte diese Feststellung nochmals überdenken", so lautete eine Randnotiz für mich während des Aufsprechens in das Diktiergerät. Danach folgte eine lange Phase der Stille, ehe ich wie folgt fortsetzte:] 

Habe ich gerade die Jugend gelobt und die adulte Lebensweise ad absurdum geführt? Stellen wir uns mal Folgendes vor, frei nach Wolfgang Borcherts "Sag Nein!": Eine Person, der du hörig bist (...), gibt dir einen Befehl und du führst ihn aus. Nun tauschen wir dein gegenwärtiges Ich mit dem deines Ichs, das sich vor vielen Jahren in der Adoleszenz befand. Wird dein jugendliches Ich auch diesen Auftrag erfüllen? Wird es vielleicht nicht eher erfühlen, dass es nicht richtig ist, dies und jenes zu tun? Dein junges Ich kann es vielleicht gar nicht in Worte kleiden und begründen, aber es weiß aus dem Inneren seines halbwegs unschuldigen Seins, dass es grundlegend nicht gut ist. Die unweigerliche Folge daraus wäre ein spontanes Veto, oder nicht? Und nur idealistisch gedacht, wie stünde dann eine so geäußerte Metapher ("Das ist ja schlimmer...") da, wenn sie im Endergebnis dazu führt, dass du die Order der Autorität in den sprichwörtlichen Wind schlägst und dich mit selbigen davon machst? Vielleicht sogar mit einem Schmunzeln in den Gesichtszügen...

Wie gerne würde ich diese "Predigt" ins Gewissen derer treiben, die mein Mädesüß und meinen Himbeerstrauch dem Erdboden gleichmachten. Dennoch weiß ich, wie unnötig so ein fiktives Gespräch wäre, ist doch das Geschehene nicht wieder rückgängig zu machen. Es mag ein wenig Pessimismus dabei sein, aber ich glaube tatsächlich nicht an die durchschlagene Kraft des Ins-Gewissen-Redens bei Menschen, die ihr bisheriges Leben auf diesem Fundament begründet haben. Die Einsicht in erster Linie, der Wille und das Bestreben in zweiter Hinsicht, sowie die Ausführung am Ende - all das muss von einem Selbst heraus kommen. Weswegen sollte ich (oder sonst jemanden) die Nadel im Heuhaufen suchen, um darauffolgend mit dieser gegen die Lederhaut eines Hörigen zu stoßen? Ich halte so ein Vorgehen nicht nur für abwegig, sondern geradezu für unverschämt. Wer oder was soll so ein Nadelstoßer sein und wie ist sein Stechinstrument beschaffen, um beim Versuch nicht abzubrechen? Man kann Menschen eben nur da abholen wo sie sind, nicht wo man sie augenscheinlich und augenblicklich gerne sehen würde (sic!).

Ich bin kein Missionar und habe generelle Probleme mit Absolutheitsansprüchen, insbesondere wenn diese von Gruppierungen ausgehen. Synkretismus schmeckt mir ebenso wenig, birgt er doch stets hohe Gefahr gefährliches Halbwissen zu verbreiten. All das ist aber völlig einerlei in dieser Erzählung. Vielleicht ist die Erzählung an sich auch nur nebensächlich, wäre sie doch schnell in Prosa dahingeschrieben. Da ich aber nicht schreibe, ändert sich nun mal alles. Und weil ich nicht die Kraft habe die Sache in einem Guss, in einer Nacht auszubringen, wird es schwierig einen roten Faden zu finden, der alles zusammenhält. Ich lese mir meine bereits gesprochenen Gedanken ja nicht nochmals vor den neuen Einträgen durch. So ein Vorgehen würde ebenso alles ändern, allerdings und deutlich in einer Sache: es wäre nicht mehr authentisch. Ich würde mich ergo selbst täuschen und meine dann aufkommenden Gedanken wären im negativen Sinne verklärt, noch ehe sie gesprochen wurden.
Trotzdem gelobe ich mir selbst Besserung, sollen doch diese Einträge nicht ins Tagebuchartige ausufern, der klaren Botschaft wegen, die mir selbst noch schleierhaft scheint. Mein eigener Anspruch ist die Zeitlosigkeit. Doch wie soll ich zeitlos reden, wenn die Zeit doch die Veränderung brachte, die mich überhaupt dazu bewog aus der Emotion heraus das Erlebte festzuhalten? Kaum gesagt und hinterfragt, hege ich Zweifel an dieser Vorgehensweise. Möglicherweise täuschte ich mich schon die ganze Zeit. Diesem adulten Möchtegernseins, für das ich selbst die Verantwortung trage und zeichne, schiebe ich alle Schuld zu. Mit jedem weiteren Wort schwindet meine Kraft. Meine Eigenenergie ist ins Bodenlose versunken. Ich bin ein Gefangener meiner eigenen Worte.

      
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